Mittwoch, 11. April 2007

Lebensmomente

Ich glaube, nur die wenigen Momente puren Glücks und tiefgründiger Euphorie, nur die Minuten des bloßen Fühlens und Denkens sind wahres Leben.
Zusammengerechnet machen diese Augenblicke vielleicht ein paar Stunden, wenige Tage im gesamten Leben aus.
Ab und an wird unser Dasein von diesen Momenten durchzogen, sie sind unsere Meilensteine, und markieren glückliche Zeiten in unserem Gedächtnis. Wir bewahren sie in kleinen Schatullen auf. Unterm Bett, im Tresor oder in einer Vitrine - bloß gut geschützt, damit sie nicht verloren gehen.
Sie sind selten, und man erkennt sie nicht immer sofort. Manchmal ist es das perfekte Bild, das sich aus Musik, Menschen und Umgebung ergibt. Manchmal ist es einfach ein grundloses, aber grundlos tiefes Gefühl, dass einen durchzieht.

Vor ein paar Stunden erlebte ich einem Mix aus beidem. Und ich denke, ich muss keine weiteren Worte aufwenden, wenn sie doch schon zubereitet und mundgerecht zerkleinert worden sind. Ich präsentiere Ihnen eine weitere Spezialität des Hauses: Ein zweiteiliges Kontrapunktsorbet mit pathetischer Kuvertüre, auf geschlagenem Wortteppich mit Kitschstückchen.

Teil eins des Gangs:
Die Stunden, die wir leben

Trommelnd vertont der Regen die Tänze der Windhosen, das Wogen der Bäume. Im Fenster sitze ich, schwebe. Es sind Momente wie diese, die mich leben lassen. Minuten wie diese, die leben.
Es ist der erste Regen in diesem heißen Sommer, voller Staub und Trockenheit. Euphorisch baumel ich mit den Füßen. Gedankenverloren stimme ich eine Arie an, singe dem Regen zu, schreie im tosenden Wind.
Die wenigen Menschen, die um diese Uhrzeit - und bei diesem Wetter - noch durch die Straßen wandern, gehetzt unter dem kalten Laternenlicht dahereilen, schauen verwundert zu mir hinauf. Wahrscheinlich ist es die Hose, mir gefällt sie auch nicht besonders...
Drüben, auf der anderen Seite der Straße, leuchtet voller Schönheit der Klatschmohn im bronzenen Laternenlicht. Wenn ich könnte, würde ich wie der Mohn sein. Unscheinbar, aber bei näherer Betrachtung doch von faszinierender Eleganz. Leicht - es scheint fast, als würde er jeden Moment emporschwerben, dem Himmel entgegen, gemeinsam mit meinen Gedanken. Und zugleich doch schwer und prägend - wie die Worte, die wir den großen Momenten widmen, von denen wir leben.
Der Regen setzt aus, und ich höre das eilige Trippeln von Absätzen. Um die Straßenecke biegt eine junge Frau. Sie schaut sich um und entdeckt mich im Fenster sitzend. Bleibt stehen. Sie lächelt zu mir hinauf. Ob sie mich versteht? Weiß sie, wie ich im Moment fühle? Oder ist es doch die Hose?
Das Klatschen des Regens setzt wieder ein - ob er diesem Augenblick applaudiert? Und als wenn die Frau zu meinen Füßen mich versteht, die Feierlichkeit dieser Minuten spürt, beginnt sie zu tanzen. Es sind nur Minuten, die wir verbringen. Aber noch Jahre werden wir von ihnen leben.
Und vor meinem Fenster tänzelt leuchtend der Mohn.

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